{Gastbeitrag] Eine Reise zu mir selbst

Seit längerer Zeit erhielt ich immer wieder sehr liebe anonyme Kommentare auf meinem Blog und vor kurzem die Anfrage einen Gastbeitrag zu schreiben. Hinter dem anonymen Kommentar versteckt sich Svenja, die mittlerweile auch Ihren Weg zu twitter gefunde hat. Ihr findet ihr Profil hier.

Der Beitrag passt sehr gut zu der Thematik Mobbing, aufgrund dessen oftmals Selbstzweifel entstehen.  Ich sag danke und wünsche euch nun viel Spaß beim Lesen. 
Für mich geht dieses Jahr ein wichtiger Lebensabschnitt zu Ende. Ich beende nämlich meine Schulzeit mit dem Abitur. Das ist, finde ich, Grund genug, diese zwölf Jahre mal zu resümieren, sich Gedanken zu machen, was denn eigentlich bleibt von dieser Zeit. Natürlich geht man in die Schule, um zu lernen, man bekommt Noten, muss mit seinen Lehrern mehr oder weniger gut auskommen - aber das ist es nicht, woran ich denke, wenn ich auf diese Jahre zurückblicke. Vielmehr habe ich festgestellt, dass meine Schulzeit in vielerlei Hinsicht eine Reise zu mir selbst war. Ich habe viel über mich gelernt, aus guten und schlechten Erlebnissen Erfahrungen gewonnen. Vor allem habe ich einiges über den Umgang mit Menschen gelernt. Ehrlicherweise muss ich zugeben, dass ich früher eine ziemliche Einzelgängerin war. Ich hatte als Kind eine lebhafte Fantasie und meistens waren meine Fantasiegeschöpfe und ich selbst mir genug. Das hat sich im Laufe der Jahre geändert. Andere Menschen nahmen nach und nach einen immer wichtigeren Part in meinem Leben ein, zeitweise sogar einen zu wichtigen. Ich habe lange Zeit versucht, es allen recht zu machen, anderen zu gefallen. Nahezu krankhaft. Ich wollte von Menschen gemocht werden, die ich nicht mal leiden kann. Und ohne einige ganz besondere Menschen hätte ich nie den Ausweg aus dieser Sackgasse gefunden. Ich habe gelernt, dass ich gemocht werde, wie ich bin. Nicht von allen, aber von den richtigen und wichtigen Menschen. Ich habe mich lange verstellt, mich hinter einer Mauer versteckt, die mir zum Schutz dienen sollte, in die ich mich aber letzten Endes selbst eingesperrt habe. In den letzten Monaten habe ich diese Mauer Stück für Stück zerschlagen. Ich bin, wie ich bin, und wer das nicht akzeptiert, der ist nicht wert, dass ich mich für ihn verbiege. Schritt für Schritt, habe ich mich von dieser Maske befreit, habe mein wahres Ich zum Vorschein gebracht. Zum Teil war ich selbst überrascht. Ich habe vieles an mir entdeckt, das ich selbst noch nicht wusste. Viele Prioritäten in meinem Leben haben sich verschoben, mein krankhafter Ehrgeiz hat sich zumindest etwas gelegt, weil ich es geschafft habe, mich selbst nicht auf Leistungen zu reduzieren. Ich bin mehr als das. Und auch wenn ich nicht immer alles schaffe, was ich mir vorgenommen habe, bin ich keine Versagerin und die wirklich wichtigen Menschen haben mich deshalb nicht weniger lieb. Ich habe das Gefühl, in diesen letzten Monaten der Schulzeit eigentlich mehr gereift zu sein, mehr gelernt zu haben als in den elfeinhalb Jahren zuvor. Dabei waren es die härtesten Monate meines Lebens. Mehr als ein Mal lag ich abends in Tränen aufgelöst auf der Couch, wusste nicht, wie ich den nächsten Tag überstehen sollte. Manchmal hatte ich das Gefühl, alles wird mir zu viel, stürzt auf mich ein. Selbstzweifel gehören zu meinem Leben dazu. Anfangs habe ich versucht, sie zu verjagen, doch es ist mir nicht gelungen. Stattdessen versuche ich mit ihnen zu leben und diese Schwäche von mir in eine Stärke umzuwandeln. Mit mir selbst zu hadern, ist mir lieber als hochmütig und selbstgefällig zu sein. Ich muss nicht immer versuchen, nach Perfektion zu streben. Mir geht es dann am besten, wenn ich annehme, wie ich bin anstatt mich zu verbiegen. Hey, ich hab vielleicht nicht so viel Selbstbewusstsein, aber dafür bin ich sehr selbstreflektiert, ich bin auch nicht perfekt, aber ich gebe mein Bestes. Diese Schuljahre waren nicht immer einfach für mich, aber sie waren wichtig. Die vergangene Zeit war eine sehr lange Reise zu mir selbst, und der Weg zum Ziel war nicht immer gerade. Ich habe lange gesucht und mich manchmal dabei auch von meinem wahren Ich eher entfernt als angenähert , aber am Ende habe ich mich selbst gefunden. Ich bin wie ich bin.
Im Rückblick auf meine Schulzeit habe ich mich auch mit folgenden Fragen beschäftigt: Wie viel von diesem kleinen Mädchen, das damals eingeschult wurde, ist geblieben? Inwiefern habe ich mich verändert, weiterentwickelt? Gibt es Dinge, die ich vielleicht von meinem früheren Ich lernen kann? Bei welchen Eigenschaften bin ich froh, dass ich sie abgelegt habe? Ich habe überrascht festgestellt, dass in mir tief drinnen noch viel von diesem kleinen, schüchternen Mädchen steckt. Meine Oma hat neulich erst berichtet , dass ich in meiner Grundschulzeit nie im Mittelpunkt stand, sondern immer am Rand, und alles beobachtet habe. Ganz so ist es heute zwar nicht mehr, aber ich habe immer noch eine gewisse Scheu, wenn ich mich außerhalb meiner gewohnten und vertrauten Umgebung bewege. Es fällt mir nicht wirklich leicht, mich anderen gegenüber zu öffnen, auf andere zuzugehen, auch wenn ich im Vergleich zu damals wirklich sehr viel offener und zugänglicher geworden bin. Ich muss allerdings zugeben, dass ich damals nie jemandem etwas vorgespielt habe, sondern eben schüchtern war, was im Nachhinein besser war als die Zeit, in der ich meine Offenheit und Zugänglichkeit nur gespielt habe und in meinem Innersten noch viel schüchterner und einsamer war als damals, ich wusste es nur nicht. Außerdem muss ich mir eingestehen, dass ich damals weit weniger perfektionistisch veranlagt war als heute. Ich war mir selbst genug, heute bin ich oft unzufrieden und will mehr erreichen, besser sein. Vielleicht ist das etwas, was ich von meinem jüngeren, kindlichen Ich lernen kann. Mir selbst zu genügen. Einiges, was ich damals getan oder gesagt habe, kann ich heute nicht mehr nachvollziehen oder würde es anders machen. Das ist okay, ich habe mich weiterentwickelt. Trotzdem bereue ich nichts in meinem Leben, denn wäre etwas anders gelaufen als es passiert ist, wäre ich nie zu der Person geworden, die ich heute bin und von der ich heute sagen kann: Ja! Das bin ich! "Ich warte auf Freunde, ich suche Geborgenheit. Ich teile die Freude, ich teile die Traurigkeit. Doch verlang nicht mein Leben, das kann ich dir nicht geben. Denn ich gehör nur mir. Nur mir!" (Musical "Elisabeth", "Ich gehör nur mir")

Kommentare

  1. Auch ich hab dieses Jahr mein Abi gemacht und hab mich zum Teil in Svenjas Text wiedergefunden. Ich war zwar nie so die Einzelgängerin, sondern bin immer in der Masse geschwommen, hab mich der Masse angepasst. Irgendwann wurde ich auch die Beobachterin, was bei mir der Anfang war, mein ICH zu finden und nicht mehr stumpf allen anderen alles nachzumachen.

    Spannender Beitrag zu der Themenserie "Mobbing"!

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