This was my day- Frankfurt Marathon 2017 #teroddathon

Am nächsten Morgen wache ich um 03:55 Uhr das erste Mal auf. Mir wird sofort bewusst heute ist es soweit, trotzdem drehe ich mich nochmal um und sacke in einen unruhigen Schlaf. Irgendwann gegen 06:00 Uhr ist es dann endgültig vorbei, ich gehe zur Toilette und warte noch eine halbe Stunde bis dann schließlich auch mein Freund aufwacht. Wir schauen raus. Es regnet. Nicht nur ein bisschen. Ziemlich. Also entscheiden wir nicht in die Stadt zu laufen sondern im Hotel zu frühstücken. Wir ziehen uns an, gehen nach unten. Hier ist schon ganz schön was los und 80% der Frühstücker sind Läufer. Ich beschließe mir ein Brötchen zu nehmen mit Honig und Marmelade. Und das Schokocroissant, das sieht auch lecker aus. Schokocroissants kenne ich von zu Hause mit Schokoladenstückchen darin, meist Zartbitter. Als ich aber in dieses beiße schmecke ich Nuss-Nougat-Creme. Das darf jetzt nicht wahr sein oder ? Ich bin Haselnussallergiker. Schnell lege ich es beiseite. Hoffe dass nichts passiert ist und hole mir noch ein Brötchen. Irgendwie muss ich leicht husten und mein Magen meldet sich. Läuft ja. Wir gehen hoch ins Zimmer und ziehen die Wettkampfkleidung an. Bin ich wirklich bereit jetzt sechs Stunden durch diese Stadt zu laufen ? Was wenn ich nicht mehr ins Hotel zurückkomme sondern tot umfalle ?
Egal, es gibt jetzt eh kein zurück. Trinkrucksack gefüllt, Jogi im Gepäck, alle Gels verstaut. Los gehts. Letztes Jahr postete ich auf Facebook: Ich sehe hier lächelnde Menschen die gleich 42,195 km laufen- heute bin ich einer davon. Wie immer fange ich an vor dem Start zu heulen. Der Mann nimmt mich in den Arm, beruhigt mich. Wir laufen nach hinten. Dort treffe ich die Liebe Mandy von gogirlrun, (deren tollen Blog und Community ich übrigens an der Stelle nur empfehlen kann) Sie wünscht mir Glück, sie hat nur die Staffel vor sich. Ein paar Minuten später verabschiede ich mich von meinem Freund, wünsche ihm alles Gute. Monika und ich reihen uns beim 05:30 Pacemaker ein. Ich unterhalte mich mit ein paar Mädels, die hier ebenfalls ihren ersten Marathon laufen. Die Gespräche beruhigen irgendwie. Und dann geht es auf die Strecke. Wieder laufen mir die Tränen herunter. Ich darf hier laufen. Ich bin gesund. Ich kann das schaffen. Ich bedanke mich bei Gott, sage ihm er soll mich ins Ziel bringen. Meine Strategie vom Stuttgartlauf mit den Kilometergedanken geht auf. Ich fühle mich nicht optimal, merke das ich doch nicht so super Luft bekomme. Bei KM 11 hole ich das erste Mal mein Smartphone aus der Gürteltasche schicke meinem Bruder ein Bild. Sehe eine paar Tweets und weiter gehts. Meine Gelpods haue ich mir in regelmäßigen Abständen rein. Aber irgendwie läuft alles wie in einem Film ab. Den Support an der Strecke nehme ich wahr, die aufmunternden Worte der Zuschauer, der Helfer an den Verpflegunsstationen. Monika fragt immer wieder ob alles okay sei.Sagt mir mich nicht an den Staffelläufern zu orientieren, erzählt mir Dinge über Frankfurt, die Stadt in der sie lebt. Der Pacemaker mit dem 05:30 Ballon ist aus Sankt Pauli ich erzähle ihm von meiner Auswärtsfahrt und auch mit ein paar anderen Läufern unterhalte ich mich. Nicht daran denken wie weit es noch ist. Beim Halbmarathon angekommen bin ich stolz. Freue mich, aber mein Knie tut weh. Und nicht nur ein bisschen sondern ziemlich. Hart gerade, twittere ich. Plötzlich steht jemand mit einem Mikrofon neben mir, fragt mich ob es mein erster wäre, sagt mir ich wäre gut in der Zeit und wir werden schon ankommen. Ich beginne zu walken. Ich trinke viel, aus meinem Rucksack und an den Verpflegunsstationen. Die Strecke geht jetzt aus dem Wohngebiet auf eine Autobahn. Ich kann nicht mehr. Nie war der Gedanke aufzugeben stärker.

 Aber ich habe meinem Freund versprochen Kilometer 33 für ihn zu laufen, so wie er damals bei seinem ersten Marathon hier an mich dachte. Zudem denke ich an Daniel Ginczek, an sein Verletzungspech. Hätte er nach seinem Kreuzbandriss aufgegeben wo wäre der VfB dann jetzt ? Hat Simon Terodde in seiner Torflaute aufgegeben ? Also, nein. Als es die Autobahnbrücke runtergeht sammeln wir eine der Mädels ein, die ich am Start traf. Ich frag sie ob alles okay sei. Sie sagt sie warte auf den Besenwagen der käme gleich. HILFE ! Ich möchte doch bitte alles aber nicht vom Besenwagen eingesammelt werden. Ich nehme nochmal alle Kraft zusammen. Drücke mir ein Gel rein und versuche zu laufen. Klappt. Monika sagt mir, der Besenwagen wäre noch ein Stück weg. Irgendjemand ruft "Da vorne ist ne Bushaltestelle, so wie ihr ausseht könnt ihr die brauchen" Monika kontert: "Nein wir wollen laufen, wir brauchen keinen Bus". Ich werde wütend. Aber Wut hilft. Warum soll ich also aufgeben ?  Ich will hier laufen. Ich will in dieses Ziel. Es beginnt zu regnen. Der Wind kommt von vorne. Geil. Ich ziehe meine Jacke wieder an, es geht auch noch eine Steigung hoch. Die Schmerzen werden immer stärker zudem habe ich das Gefühl zu schwanken. An der nächsten Verpflegung gibt es Cola. Und Essen. Ich hab ja Hunger, stelle ich fest. Also rein mit der Banane. Beste Banane meines Lebens. Irgendwann sehen wir den Pacemaker mit der 5:30 wieder, er winkt uns zu von der anderen Straßenseite, wir sind also soweit nicht weg. Die Mainzer Landstraße zieht sich ewig. Monika erzählt mir wie sehr sie diese Straße hasst, und dass die sowieso nie nach Mainz führt. Aber wer außer Alexandru Maxim möchte den auch freiwillig nach Mainz ? Ich will ins Ziel und in mein Bett und Essen.
Kilometer 30. Noch 12. Also 10, weil laut Monika zählen die letzten 2 nicht, da trägt einen die Menge. Irgendwann sind wir wieder in der Innenstadt. Es gibt wieder Verpflegungen. Was gäbe ich jetzt für eine Bockwurst. Als Vegetarier. Alles klar Jenni. Ich begnüge mich nochmal mit einer Banane.  Wir treffen den Mann der auf der gegenüberliegende Seite schon in Richtung Ziel wandert. Für uns sind es noch ein paar Kilometer. Ich bin erleichtert, es geht ihm gut. Er kämpfte auch mit einem Infekt. An der Hauptwache soll nochmal Stimmung sein, nun ja. Bei unserer Zielzeit  sind die meisten schon nach Hause. Ich klatsche trotzdem noch einige ab. Klasse Kopfsteinpflaster. Das tut jetzt weh. So richtig. Wann kommt dieses Scheißschild mit Kilometer 40 ? Es piept unter meinen Füßen. Und da ist es.

Ich beginne zu realisieren dass wir es schaffen werden. Ich schreie. Jubele. Vielleicht hüpfe ich auch kurz hoch ich weiß es nicht mehr. Irritierte Blicke von den Zuschauern. Ich entschuldige mich. Bei wem eigentlich ? Kein Plan.
Von hinten kommt ein Fahrrad. 10 Minuten noch. Uns kommen immer mehr Marathonis mit Medaillen entgegen. Feuern uns an. Ich versuche so auszusehen als wäre ich nicht völlig im Eimer und als könnte ich noch voll gut laufen.
Du darfst jetzt nicht aufgeben Jenni, nicht jetzt, nicht so kurz vor dem Ziel. Da sehe ich auch schon den Startbogen. Es ist fast 6 Stunden her dass wir hier durchgelaufen sind ? Es kommt mir gar nicht so lange vor. Und da geht es auch schon um die Ecke. Gleich ist es geschafft, gleich geht es auf den roten Teppich nur noch 200, 300 Meter vielleicht. Was ist das schon, im Vergleich zu dem was ich heute bereits in den Beinen habe. Die Festhalle kommt mir noch unglaublich voll und laut vor. Am lautesten brüllt wahrscheinlich mein Freund. Da ist sie die Zielline. Ich heule. Vor Freude. Die Emotionen lassen sich nur ganz schwer in Worte fassen. Nichts ist mir im Moment egaler wie die Zeit, ich bin hier im Ziel, gesund. Ich habe es geschafft. 42,195km. Ich umarme ungefragt einen Helfer. Eine Frau kommt auf mich zu, fragt ob das Freudentränen sind, ich bejahe. Ich möchte jetzt meine Medaille- ganz dringend. Man möchte mir die Treppe runterhelfen aber das schaffe ich schon noch selbst. Das Läuferdorf ist leer.


Ich hätte so gern eine Suppe gehabt, gibt es aber nicht mehr. Ein alkoholfreies Bier und dann kommt der Moment auf denn ich die 42,195km gewartet habe. Ich nehme die Person in meine Arme ohne deren Hilfe ich hier nie stehen würde. Meine bessere Hälfte, mein Trainer, der mit seiner Erfahrung immer genau wusste, was zu tun war. Stolz sei er, sagt er.


Ja und das bin ich auch. Vielleicht das erste Mal in meinem Leben. Nicht auf die Zeit, einfach darauf trotz allen Umständen gekämpft zu haben, angekommen zu sein. Allen Zweiflern gezeigt zu haben, dass ich es kann. Dann ist da eine unendliche Dankbarkeit. Ich bin dankbar, dass ich soviele Menschen hatte die mich unterstützen. Vor allem aber auch, dass ich diese Wette eingegangen bin und auch dankbar, dass Simon Terodde die drei Tore an diesem Tag gemacht hat. Die Lauferei hat mir soviel beigebracht. Es wird sicher Tage geben, da werde ich vielleicht nicht der Meinung sein, dass ich einen Marathon laufen kann, aber ich werde mich ein Leben lang daran erinnern, dass ich es bereits getan habe.

Kommentare

  1. Respekt für's Kämpfen, für's Durchbeißen und die ehrlichen Worte!
    So ist Marathon. Für jeden. Mal läuft's super, mal echt besch..... Aber am Ende ist alles gut!

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